Wirtschaftsinformatik (Bachelor-Studiengang): Internes Rechnungswesen (3. Semester)
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MS / CM, Kurs vom 01.04.2003 - 30.09.2003
Die Maschinenstundensatzrechnung
Grundsätzliches
Mit steigender Mechanisierung und Automatisierung nimmt der Anteil des direkten Fertigungslohns an den Gesamtkosten ab. Dagegen nehmen maschinen- und ausrüstungsbezogene Kosten als Gemeinkosten erheblich zu. Das heißt, dass bei der Bildung von Gemeinkostensätzen immer höhere Gemeinkosten auf eine immer schmaler werdende EK-Bezugsbasis Fertigungslohn bezogen werden müssen. Die Fertigungsgemeinkostensätze werden immer höher. Die ohnehin bestehende Fragwürdigkeit der unterstellten Proportionalität zwischen kaum noch nennenswert variablem Fertigungslohn und weitgehend fixen Fertigungsgemeinkosten wird mit zunehmender quantitativer Diskrepanz noch fragwürdiger.
Problem:
Der Fertigungslohn als Bezugsbasis für hohe Fertigungsgemeinkosten wird zum Teil praktisch irrelevant. Es ist eine neue Bezugsbasis für die geschlüsselte Zurechnung der Fertigungsgemeinkostenlast zu den Kostenträgern zu finden. Diese Bezugsbasis sollte eine Aufwandsgröße sein, die in einem möglichst direkten Verhältnis zur Leistungsmenge steht, sich tatsächlich als nennenswertes Aufwandsvolumen variabel verhält und problemlos erfasst und ausgewiesen werden kann.
Lösung:
Wahl der Nutzungszeit der Maschinen und Anlagen (Maschinenstunde) als Bezugsbasis und somit als kostenträgerbezogenen Verteilerschlüssel für die Fertigungsgemeinkosten.
Die Maschinenstunde steht als Zeitaufwand wesentlich direkter im Leistungsmengenbezug als der Fertigungslohn. Sie stellt bei hoher Mechanisierung und Automatisierung ein dominantes Aufwandsvolumen bei der Leistungserstellung dar und ist relativ leicht und unmittelbar erfassbar. Setzt man die Fertigungsgemeinkostenarten, die mit der Nutzung der Maschinen und Anlagen im Zusammenhang stehen ins Verhältnis zur Maschinennutzungszeit, so erhält man für die entsprechende Maschine einen Maschinenstundensatz. Über diesen können dann die Maschinengemeinkosten entsprechend einer kostenträgerspezifischen Maschinennutzungszeit direkt dem Kostenträger zugerechnet werden.
Die geschlüsselte Verteilung der Fertigungsgemeinkosten wird durch den direkten Maschinenzeitbezug der Kostenträger auf die geschlüsselte Verteilung der Gemeinkosten bei der Bildung von Maschinenstundensätzen beschränkt.
Die Fertigungsgemeinkostenarten, die im Fertigungsbereich nicht als maschinenbezogener Aufwand abgegrenzt werden können (z.B. Hilfslöhne, Gehälter, ggf. Hilfsstoffe, teilweise Betriebsstoffe oder Abschreibungen), werden mit Bezug zu den Fertigungslöhnen über den sogenannten Restfertigungsgemeinkostensatz in klassischer Weise kalkulativ weiterverrechnet.
Organisatorische Voraussetzung:
Abgrenzung einzelner Maschinengruppen, Maschinen oder Arbeitsplätze als Kostenstelle (Summe aller Kosten solch einer minimierten Kostenstelle: MAschinen- oder Platzkosten).
Folge:
Höhere Genauigkeit in der Gemeinkostenverrechnung, aber auch höhere Aufwand und Verkomplizierung der Kostenstellenrechnung. Daraus resultiert betriebsindividuell ein Entscheidungsproblem zur Installation der Maschinenstundensatzrechnung.
Sinnvolle Anwendungsbedingungen:
- Bei kapitalintensiven Fertigungsprozessen, bei denen die Maschinenkosten einen hohen Anteil an den Fertigungsgemeinkosten ausmachen und bei denen somit der Zusammenhang zwischen der Höhe des aufgewandten Fertigungslohnes und dem Anfall von Fertigungsgemeinkosten verloren geht.
- Bei Fertigungskostenstellen, in denen verschiedene Maschinen mit unterschiedlich hohen Fixkosten im Einsatz sind oder/und in den Maschinen und Arbeitsplätze nicht gleichmäßig beansprucht werden. Hier würden bei einem einheitlichen Fertigungsgemeinkostensatz Arbeiten auf einer Maschine mit hohen Gemeinkosten zu niedrig kalkuliert werden und umgekehrt.
Einordnung:
Die Maschinenstundensatzrechnung kann, wenn weitere arbeitsplatzbezogene Kostenarten einbezogen werden (hauptsächlich Kostenarten der Entlohnung des Bedienpersonals) zur sogenannten Platzkostenrechnung ausgebaut werden. Statt der Maschinenstundensätze werden hier Platzkostensätze oder Arbeitsstundensätze gebildet. Die Verrechnung von Arbeitsstunden ist auch in der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung üblich.
Kalkulative Wirkung der Maschinenstundensatzrechnung
Grundsätzliche Aufsplittung des Fertigungsgemeinkostenblocks in Kostenarten mit Maschinenstundenbezug und Restfertigungsgemeinkosten mit Fertigungslohnbezug.
Bildbeschreibung "Gegenüberstellung von Differenzierter Zuschlagskalkulation und Kalkulation mit Maschinenstundensätzen": Differenzierter Zuschlagskalkulation: Materialeinzelkosten + Materialgemeinkosten + Fertigungslohn + Fertigungsgemeinkosten + Verwaltungsgemeinkosten + Vertriebskosten = Selbstkosten. Bei der Kalkulation mit Maschinenstundensätzen werden die Fertigungsgemeinkosten weiter unterteilt in Maschinenkosten (Kalkulatorische Abschreibungen + Kalkulatorische Zinsen + Raumkosten + Energiekosten + Instandhaltungskosten) und Restfertigungskosten.
Wirkung auf die verursachungsbezogene Proportionierung der Kosten bei Kostenträgerzurechnung
Kalkulationsschema (in €) | Summe | Kostenträgergruppe | ||
---|---|---|---|---|
1 | 2 | 3 | ||
1. Fertigungsmaterial 2. Materialgemeinkosten (3 % von 1) |
90.000 2.700 |
20.000 600 |
30.000 900 |
40.000 1.200 |
3. Materialkosten | 92.700 | 20.600 | 30.900 | 41.200 |
4. Fertigungslohn 5. Fertigungsgemeinkosten (300 % von 4) 6. Sondereinzelkosten der Fertigung |
75.000 225.000 10.800 |
15.000 45.000 - |
40.000 120.000 - |
20.000 60.000 10.800 |
7. Fertigungskosten | 310.800 | 60.000 | 160.000 | 90.800 |
8. Herstellkosten | 403.500 | 80.600 | 190.900 | 132.000 |
Kalkulationsschema (in €) | Summe | Kostenträgergruppe | ||
---|---|---|---|---|
1 | 2 | 3 | ||
1. Fertigungsmaterial 2. Materialgemeinkosten (3 % von 1) |
90.000 2.700 |
20.000 600 |
30.000 900 |
40.000 1.200 |
3. Materialkosten | 92.700 | 20.600 | 30.900 | 41.200 |
4. Fertigungslohn | 75.000 | 15.000 | 40.000 | 20.000 |
5. Maschinenstundenkosten Masch.-Gr. A 50,0 €/Std. Masch.-Gr. B 47,0 €/Std. Masch.-Gr. C 37,5 €/Std. Summe A bis C |
58.000 47.000 45.000 150.000 |
30.000 - 35.000 65.000 |
21.000 29.000 10.000 60.000 |
7.000 18.000 - 25.000 |
6. Restfertigungsgemeinkosten (100 % von 4) 7. Sonderkosten der Fertigung |
75.000 10.800 |
15.000 - |
40.000 - |
20.000 10.800 |
8. Fertigungskosten | 310.800 | 95.000 | 140.000 | 75.800 |
9. Herstellkosten | 403.500 | 115.600 | 170.900 | 117.000 |
Bildung von Maschinenstundensätzen
Der Maschinenstundensatz wird aus dem Verhältnis der Summe der maschinenbezogenen Fertigungsgemeinkostenarten pro Jahr zur möglichen jährlichen Nutzungszeit bei geplantem Auslastungsgrad ermittelt:
KMh = (KMasch ÷ TNutzung) × (€ ÷ h)
Zu den maschinenbezogenen Fertigungsgemeinkostenarten (KMasch)
Im Regelfall lassen sich folgende Kostenarten maschinenbezogen abgrenzen:
- KAbschreibung: Kalkulatorische Abschreibungen
- KZins: Kalkulatorische Zinsen
- KRaum: Raumkosten
- KEnergie: Energiekosten
- KInstandhaltung: Instandhaltungskosten
- KWerkzeug: Werkzeug- oder Vorrichtungskosten
Die Summe über alle vorgenannten Kostenarten sind die Fertigungsgemeinkostenarten KMasch.
Die kalkulatorischen Abschreibungen (KAbschreibung):
Die kalkulatorischen Abschreibungen werden unter Berücksichtigung des geltenden Wiederbeschaffungswertes (einschl. Aufstellungs- und Anlaufkosten) und der voraussichtlichen Nutzungsdauer bestimmt. Bei technisch und/oder wirtschaftlich veralteten Maschinen wird der Wiederbeschaffungswert einer vergleichbaren Maschine angesetzt. Die kalkulatorische Abschreibung soll der tatsächlichen Wertminderung der MAschine im Rechnungszeitraum entsprechen.
Die kalkulatorischen Zinsen (KZins):
Die kalkulatorischen Zinsen der Maschine beziehen sich auf das durch den Wert der Maschine gebundene Kapital. Als Maschinenwert wird in de Regel aus Vereinfachungsgründen im Sinne der Vergleichbarkeit verschiedener Perioden der halbe Wiederbeschaffungswert (Wertmittel über die gesamte Nutzungsdauer) angesetzt. Als Zinssatz wird meistens der aktuell übliche Zinssatz für langfristiges Fremdkapital verwendet.
Die Raumkosten der Maschine (KRaum):
Die Raumkosten der Maschine enthalten anteilig Abschreibungen und Zinsen auf Gebäude und Werkanlagen, Instandhaltungskosten für Gebäude, Kosten für Licht, Heizung, Vesicherung und Reinigung. Es folgt die Bildung eines m2-Kostenansatzes für den Raum oder das Gebäude, der mit der spezifischen Maschinenfläche (beanspruchte Grundfläche einschließlich erforderlicher Nebenflächen in m2) multipliziert wird.
Die Maschinenenergiekosten (KEnergie):
Die Maschinenenergiekosten für Strom, Gas, Wasser usw. werden in der Regel durch Multiplikation der spezifischen Leistungsaufnahme mit dem Leistungspreis je Zeiteinheit ermittelt. Dieses Produkt wird dann auf die jährliche Nutzungsdauer hochgerechnet.
Die Instandhaltungskosten (KInstandhaltung):
Die Instandhaltungskosten der Maschine (laufende Wartungen, Reparaturen) werden sehr unterschiedlich ermittelt. Gebräuchlich sind Jahresdurchschnittswete über längere Zeiträume als Absolutbetrag oder als Faktor bzw. Prozentsatz, bezogen meist auf die kalkulatorischen Abschreibungen oder den Wiederbeschaffungswert.
Die Werkzeug- oder Vorrichtungskosten (KWerkzeug):
Die Werkzeug- oder Vorrichtungskosten lassen sich in der Regel in ihrer Abschreibungshöhe direkt einer konkreten Maschine zurechnen.
Hinweis: Die Maschinenkostenarten sind also sowohl direkt zurechenbare Maschineneinzelkosten (wie z.B. Abschreibungen, Zinsen, Leistungsenergie, Vorrichtungen, Werkzeuge) als auch geschlüsselt zugerechnete Maschinengemeinkosten (wie z.B. Raumkosten, Instandhaltungskosten).
Hinweis: Bei zusammenhängenden Fertigungsanlagen bzw. Fertigungslinien werden die Kosten für die gesamte Linie erfasst und gemeinsam verrechnet. Neben den Kosten für die einzelnen Grundmaschinen sind noch die Kosten für typengebundenes Zubehör, z.B. spezielle Zubringe- bzw. Bearbeitungseinrichtungen, zu berücksichtigen.
Zur möglichen jährlichen Nutzungszeit (TNutzung)
Die gesamte Maschinenzeit TG ist die Summe aus- Nutzungszeit TNutzung
- Instandhaltungszeit TInstandhaltung
- Ruhezeit TRuhe
- Lastlaufzeit TLastlauf
- Leerlaufzeit TLeerlauf
- Hilfszeit THilfe
Weiteres:
- Während der Nutzungszeit wird die Maschine für einen Kostenträger (Erzeugnis) genutzt. Die Maschine oder die Fertigungsanlage ist während dieser Zeit an das Energienetz angeschlossen.
- Während der Lastlaufzeit läuft und produziert die Maschine. Die Maschine und ihre Hilfsantriebe sind eingeschaltet, der Hauptantrieb arbeitet unter Volllast oder Teillast.
- Während der Leerlaufzeit läuft die Maschine, produziert aber nicht.
- Während der Hilfszeit steht die Maschine produktionsbereit vorübergehend still. Der Hauptschalter und die Hilfsantriebe sind noch eingschaltet.
- Während der Instandhaltungszeit wird die Maschine gewartet oder instandgesetzt; sie produziert nicht.
- Während der Ruhezeit ist die Maschine abgeschaltet.
Die gesamte (theoretisch verfügbare) Maschinenzeit ergibt sich grundsätzlich aus der Multiplikation 365 Kalendertage × 24 Stunden = 8.760 Stunden
Praktisch ergibt sich diese Zeit jedoch unter Berücksichtigung von Sonn- und Feiertagen und der täglichen Stundenzahl entsprechend der Schichtauslastung. Das heißt, bei Einschichtbetrieb und durchschnittlich ansetzbaren 220 Arbeitstagen im Jahr ergibt sich eine gesamte Maschinenzeit von 220 Tagen × 8 Stunden = 1.760 Stunden. Sollte der geplante Auslastungsgrad der Maschine auftragsbedingt geringer als 100 % sein, so müssten diese Stunden noch um einen entsprechenden Auslastungsfaktor heruntergerechnet werden.
Die verbleibenden Stunden sind noch um die oben beschriebenen Zeitarten zu reduzieren um eine effektive Nutzungszeit TN zu erhalten, die der Leistungserstellung dient und somit die Maschinenkosten tragen muss.
Beispiel zur Berechnung des Maschinenstundensatzes
Nutzungszeit TNutzung je Jahr:
Einschichtbetrieb (220 Arbeitstage/Jahr und 8h/Arbeitstag):
TNutzungsoll = 1.760 h/Jahr.
Durch personell und maschinell bedingte Ausfallstunden von etwa 25 % (entsprechend 440 h/Jahr) beträgt die effektive Nutzungszeit:
TNutzung = (1.760 - 440) h/Jahr = 1.320 h/Jahr
Kalkulatorische Abschreibung KAbschreibung je Jahr:
Wiederbeschaffungswert (einschließlich elektrischer Ausrüstung,
Normalzubehör und Aufstellung) = 240.000 €
Nutzungsdauer = 8 Jahre
Abschreibung je Jahr (lineare Abschreibung) = 240.000 / 8
KAbschreibung = 30.000 €/Jahr
kalkulatorische Zinsen KZins je Jahr:
Zinssatz: 9 % je Jahr
KZins = (Wiederbeschaffungswert ÷ 2) × Zinssatz
= (240.000 ÷ 2) × 0,09
KZins = 10.800 €/Jahr
Raumkosten KRaum je Jahr:
Benötigte Grundfläche der Maschine = 30 m2;
Raumkosten je Jahr = 220 €/m2 × 30
m2
KRaum = 6.600 €/Jahr
Instandhaltungs- und Wartungskosten KInstandhaltung je Jahr:
Zur Berücksichtigung von Instandhaltungs- und Wartungskosten wird ein Faktor von 0,5 bezogen auf den kalkulatorischen Abschreibungsbetrag verwendet. Damit betragen die jährlichen Instandhaltungs- und Wartungskosten:
KInstandhaltung = kalkulatorische Abschreibung × Faktor = 30.000 × 0,5
KInstandhaltung = 15.000 €/Jahr
Maschinenkosten KMaschinenstunden je Stunde:
Kalkulatorische Abschreibung KAbschreibung 30.000 €/Jahr
Kalkulatorische Zinsen KZins 10.800 €/Jahr
Raumkosten KRaum 6.600 €/Jahr
Energiekosten KEnergie 4.224 €/Jahr
Instandhaltungs- und Wartungskosten KInstandhaltung 15.000 €/Jahr
Hinweis: Maschinenkosten = 66.624 €/Jahr
Maschinenstundensatz = Maschinenkosten ÷ Nutzungszeit
= 66.624 €/Jahr ÷ 1.320 h/Jahr
KMaschinenstunden = 50,47 €/h