Wirtschaftsinformatik (Bachelor-Studiengang): Internes Rechnungswesen (3. Semester)

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MS / CM, Kurs vom 01.04.2003 - 30.09.2003

Internes Rechnungswesen: Die Kostenstellenrechnung: Grundsätzliches (Ausgangsproblem, Kostenstellen, Kostenstellenrechnung, Zwecke der Kostenstellenrechnung, Grundsätze der Kostenstellengliederung, Übersicht zur Einordnung der Kostenstellenrechnung, Arten von Kostenstellen, Das Kostenstellenverzeichnis).

Grundsätzliches

Ausgangsproblem

Nur die Einzelkosten lassen sich direkt dem verursachenden Kostenträger zurechnen.

Für Gemeinkostenarten hingegen ist ein direkter Verursachungsbezug zu den einzelnen Kostenträgern nicht herstellbar. Gemeinkosten lassen sich lediglich strukturellen Stellen im Unternehmen zuordnen, deren Existenz diese Kostenarten verursacht, die diese Kostenarten verantworten. Es wird also für die Gemeinkosten vorerst kein zweckbezogener Leistungsbezug hergestellt sondern nur ein struktureller Verursachungsbezug. (Wo sind die Kosten entstanden?)

Folge:

Unternehmen sind nach den Kriterien der Kostenverursachung, -verantwortung und -beeinflussung in Kostenstellen zu gliedern. (kostenrechnerische Unternehmensstrukturierung)

Kostenstellen

Kostenstellen sind für Zwecke der Kostenrechnung abgegrenzte Stellen im Unternehmen im Sinne von betrieblichen Teilbereichen, Struktureinheiten, Verantwortungseinheiten, örtlichen Einheiten, personellen oder maschinellen Dimensionen.

Kriterium der Abgrenzung ist ein abgrenzbarer, zweckbezogener Verbrauch zur Leistungserstellung (Kostenstelle = Leistungsstelle), also das Entstehen von Kosten, die Möglichkeit, diese Kosten den Stellen zuzurechnen, eine überprüfbare Kostenbe- und -entlastung durchführen zu können.

Kriterium der Kostenzurechnung ist ein abgrenzbarer Verursachungs- und Beeinflussungsbezug und somit eine Kostenverantwortung.

Kostenstellen sind also für die Gemeinkostenarten Verursachungsstellen, Zurechnungsstellen, Beeinflussungs- und Verantwortungsstellen.

Kostenstellenrechnung

Die Kostenstellenrechnung ist das Teilsystem der Kostenrechnung, das aus der Kostenartenrechnung den Kostenstellen die Kosten zurechnet, die den Kostenträgern (Leistungsarten) nicht direkt als Einzelkosten zugerechnet werden können (Gemeinkosten). Die Stellenzurechnung der Gemeinkosten erfolgt differenziert nach abgegrenzten Stellen und Perioden sowohl im Plan- als auch im Ist-Zeithorizont.

Neben dieser Stellenzurechnung nimmt die Kostenrechnung ein Weiterwälzen der Stellenkosten von Vorkostenstellen auf Endkostenstellen vor (innerbetriebliche Leistungsverrechnung) und schließlich für die Endkostenstellen die Ermittlung von Gemeinkostensätzen für die geschlüsselte indirekte Verrechnung der Gemeinkosten in der Kostenträgerrechnung (Kalkulation).

Zwecke der Kostenstellenrechnung

Die Kostenstellenrechnung übernimmt die Gemeinkostenarten aus der Kostenartenrechnung durch eine belegmäßige Zuordnung (Stelleneinzelkosten) bzw. über Verteilerschlüssel (Stellengemeinkosten) auf die Kostenstellen, in denen die Kosten ganz oder teilweise entstanden sind.

Es sind also die Kosten verursachungs-, beeinflussungs- und verantwortungsgerecht zuzuordnen, sie sind an den Orten ihrer Entstehung planungs- und abrechnungsmäßig zu sammeln.

Damit ist eine Basis gegeben, die Gemeinkostenarten verursachungsgerecht zu planen, abzurechnen und im Zeit- oder Plan-Ist-Vergleich eine verantwortungsbezogene Kostenüberwachung und -steuerung vorzunehmen. Die Wirtschaftlichkeit (im Sinne einer Leistungs-Kosten-Relation) betrieblicher Prozesse ist somit stellendifferenziert kontrollierbar, beeinflussbar und gestaltbar. Dadurch wird Einfluss auf die Kostenentstehung im einzelnen und insgesamt ausgeübt. Die Kostenstellenrechnung liefert also Informationen für Steuerungs- und Entscheidungszwecke.

Leistungsbeziehungen, die zwischen verschiedenen Stellen innerhalb eines Unternehmens bestehen, werden durch die innerbetriebliche Leistungsverrechnung innerhalb der Kostenstellenrechnung sichtbar und steuerbar gemacht.

Die Kostenstellenrechnung ermöglicht für differenzierte Kostenstellenbereiche aus der Relationsbildung der jeweiligen Gemeinkostensummen zu leistungsbezogenen (gemeinkostenverursachenden) Bezugsbasen die Ermittlung von spezifischen Gemeinkosten-Zuschlagssätzen.
Damit wird eine Möglichkeit für die anteilige, geschlüsselte Zuweisung der Gemeinkosten zu den Kostenträgern in der Kostenträgerrechnung geschaffen.

Grundsätze der Kostenstellengliederung

Das Prinzip der Wirtschaftlichkeit ist bei der Kostenstellengliederung zu beachten. Das heißt, Faktoren wie Betriebsgröße, Leistungsprogramm, Prozessdifferneziertheit, Möglichkeiten der Verbrauchs- und Belegerfassung und -zuordnung, sinnvolle Informationsdifferenziertheit sind zu berücksichtigen.

Eine Kostenstelle muss ein selbständiger Kostenverursachungs-, -beeinflussungs- und -verantwortungsbereich sein, um eine wirksame Kostenplanung, -kontrolle und -steuerung zu ermöglichen. Die Kostenstellengliederung sollte hierzu eindeutig sein, Kostenstellen klar voneinander abgrenzen, eine zweifelsfreie Kostenzuordnung ermöglichen. In diesem Sinne sollten Kostenstellen möglichst räumliche, strukturelle oder personelle Einheiten sein, um Kompetenzabgrenzungsprobleme zu vermeiden. Eine wirksame Kostenüberwachung und -steuerung durch die stellenverantwortlichen Entscheidungsträger ist so zu gewährleisten.

Für abgegrenzte Kostenstellenbereiche müssen sich möglichst direkte und genaue Bezugsgrößen zur Gemeinkostenverursachung finden lassen. Dieses ist zum einen Voraussetzung für eine möglichst verursachungsgerechte Aufschlüsserung der Stellen-Gemeinkosten auf die Kostenstellen.
Zum anderen ist es wesentliche Voraussetzung für die Zurechnung der Gemeinkosten zu den Verursachungszwecken, den Kostenträgern. Es ist durch den Zusammenhang von Kostenstellenabgrenzung und Bezugsgrößenwahl möglichst ein Leistungsbezug bei der Bildung von Gemeinkostensätzen und somit für eine verursachungsorientierte Einbeziehung der Gemeinkosten in die Kalkulation der Kostenträgerrechnung zu sichern. Hier wird eine wesentliche Grundlage für Kalkulationsgenauigkeit gelegt.

Übersicht zur Einordnung der Kostenstellenrechnung

  1. Kostenartenrechnung:
    Differenzierung der Kostenartenrechnung nach Zurechenbarkeit zur verursachenden Bezugsgröße Kostenträger
  2. Kostenträgerrechnung:
    Zusammenfassung aller Kostenträger-bezogenen Einzelkosten und Gemeinkosten in der Vollkostenkalkulation
Die Kostenartenrechnung kann weiter unterteilt werden in
  1. direkt dem Kostenträger zurechenbare Einzelkosten
  2. nicht direkt dem Kostenträger zurechenbare Gemeinkosten (echte und unechte Gemeinkosten)

Den nicht direkt dem Kostenträger zurechenbaren Gemeinkosten ist dann die Kostenstellenrechnung zuordenbar.

Die Kostenstellenrechnung differenziert die Gemeinkosten-Arten nach Zurechenbarkeit zur verursachenden Bezugsgröße Kostenstelle, was folgende Unterteilung ergibt:

Für alle Gemeinkosten-Artengruppen erfolgt die Bildung von Verteilerschlüsseln (Gemeinkosten-Sätzen) für die indirekte Verrechnung auf die Kostenträger.

Arten von Kostenstellen

Diese Strukturierungen können teilweise deckungsgleich sein, müssen es aber nicht, da verschiedene Differenzierungskriterien und -zwecke zugrunde liegen. Bei der Kostenstellendifferenzierung können nach verschiedenen Betrachtungskriterien verschiedene Artengruppen unterschieden werden, die sich jedoch praktisch mehr oder weniger überlagern:

a) Kostenstellenbereiche nach Funktionen:

Hauptziel: verursachungsgerechte stellenbezogene Verrechnung. Die Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Funktionen lässt entsprechend dem Prozessablauf z.B. für den Industriebetrieb die Bildung nachfolgender grundsätzlicher Kostenstellenbereiche zu:
(In kleinen Betrieben kann für jeden Kostenstellenbereich die Bildung einer Kostenstelle hinreichend sein, im Regelfall werden diese Kostenstellenbereiche jedoch nach Kriterien der gewünschten Kosteninformationsgenauigkeit in mehrere Kostenstellen differenziert.)

b) Kostenstellen nach räumlichen/örtlichen Aspekten:

Hauptziel ist auch hier die verursachungsgerechte stellenbezogene Verrechnung. Die Kostenstellenbildung orientiert sich hier an örtlich begründeter Abgrenzbarkeit von Kostenverursachung und -verantwortung. Dies kann bei räumlicher Zergliederung oder Konzentration bestimmter Funktionseinheiten oder bei räumlich bestimmter Verbrauchserfassung (einzelnes Objekt, z.B. einzelne Energiezählerbereiche, Baustellen, Warenlager) eine Rolle spielen.

c) Kostenstellen nach Verantwortungsbereichen:

Hauptziel: verantwortungsbezogene Kostenplanung, -kontrolle und -steuerung. Die Kostenstellenbildung orientiert sich hier an abgrenzbaren Verantwortungsbereichen für anfallende Gemeinkostenarten. Stellen, die sich einem konkreten Verantwortlichen (Kostenstellenverantwortlichen) zuordnen lassen werden als solche abgegrenzt.

Kostenstellen nach verrechnungstechnischen Aspekten:

Hauptziel: Arbeitsvereinfachung und Schaffung von Voraussetzungen für eine möglichst verursachungsbezogene Weiterverrechnung der Gemeinkosten auf Kostenträger. Hier sind zwei Betrachtungsebenen zu unterscheiden:

  1. Vor- bzw. Hilfskostenstellen:

    "Interne Dienstleister", ihre Kosten werden (als sogenannte sekundäre Kosten) auf die Endkostenstellen umgelegt (innerbetriebliche Leistungsverrechnung).

    1. Allgemeine Hilfskostenstellen:

      Erbringen auf Basis ihrer spezifischen Kostenarten Leistungen für viele andere Kostenstellen im Unternehmen (z.B. Energieerzeugung oder -umwandlung, Werksschutz, Sozialeinrichtungen).

    2. bereichsbezogene Hilfskostenstellen:

      Erbringen Leistungen für einen bestimmten Kostenstellenbereich. Typisch sind hier die Fertigungshilfsstellen (z.B. Arbeitsvorbereitung, innerbetrieblicher Transport, Instandhaltung, Zwischenlager).

  2. Endkostenstellen:

    "Endleister am Kunden", ihre Lesitungen sind vorwiegend auf die Erbringung der nach außen verkaufsfähigen Produkte gerichtet. Sie bekommen neben ihren eigenen primären Kosten die sekundären Kosten der Vorkostenstellen zugerechnet. Über ihre Gemeinkosten-Sätze werden die Gemeinkosten den verkaufsfähigen Kostenträgern zugerechnet.

    1. Hauptkostenstellen:

      Erstellen die Leistungen des firmenbestimmten Hauptsortiments bzw. wirken prozessbezogen daran mit (wie z.B. neben den Fertigungshauptstellen die Materialwirtschaft, die Verwaltung und der Vertrieb).

    2. Nebenkostenstellen:

      Werden abgegrenzt, wenn das Leistungssortiment im Haupt- und Nebensortiment (z.B. Abfallverwertung) differenziert wird.

Fazit:

Kostenstellen können funktional oder/und räumlich abgegrenzt sein. So kommen neben funktionalen Abteilungen oder örtlich abgegrenzten Struktureinheiten auch Arbeitsplätze, Maschinen, Projekte u.ä. als Kostenstellen in Betracht. Die Differenzierungskriterien bei der Kostenstellenbildung überlagern sich praktisch. Welches Differenzierungskriterium das Primat hat, welche verrechnungstechnischen Aspekte eine Rolle spielen und welche Kostenstellen dabei welcher Kostenstellengruppe zugeordnet werden (z.B. Verwaltung als Vor- oder als Endkostenstelle) ist betriebskonkret und -individuell zu entscheiden.

Das Kostenstellenverzeichnis

So wie es ein Kostenartenverzeichnis gibt, das die Kostenarten des Unternehmens gruppiert und mit Schlüsselnummern versehen ausweist, gibt es auch ein Kostenstellenverzeichnis (auch "Kostenstellenplan"). Darin sind die Kostenstellen nach verschiedenen Kriterien differenziert und mit einer entsprechenden Schlüsselnummernsystematik ausgewiesen.

Beispiel für ein Kostenstellenverzeichnis:

0: Allgemeiner Bereich
000: Kostenstelle Grundstücke und Gebäude
001: Kostenstelle Wasser
002: Kostenstelle Dampferzeugung
003: Kostenstelle Stromerzeugung
004: Sozialeinrichtungen
005: Werkschutz

1: Materialbereich
100: Einkaufsabteilung
101: Materialannahme und -prüfung
103: Materiallager

2: Fertigungsbereich
20: Fertigungshilfsstellen
200: Technische Leitung
201: Konstruktionsbüro (Gehört zum Fertigungsbereich, da kein FuE-Bereich existiert)
202: Fertigungsplanung
203: Arbeitsvorbereitung
204: Technische Revision
205: Maschinenwartung
21: Fertigungshauptstellen
210: Stanzerei
211: Blechnerei
212: Dreherei
213: Fräserei
214: Bohrerei
215 Gestellbau
216 Leistungsbau
. . .
219: Endmontage

3: Verwaltungsbereich
300: Kaufmännische Leitung
301: Geschäftsbuchhaltung
302: Betriebsbuchhaltung
303: Kalkulation
304: Personalbüro
305: Telefonzentrale
306: Fahrdienst

4: Vertriebsbereich
400: Fertigfabrikatlager
401: Vertriebsbüro
402: Versandbüro
403: Expedition