Wirtschaftsinformatik: Spezielle Betriebswirtschaftslehre (Produktion)

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HDS / CM, Kurs vom 01.04.2006 - 30.09.2006

Spezielle Betriebswirtschaftslehre (Produktionsbetriebe): Grundlagen der Produktionswirtschaft (Der Stoffflussprozess im Industriebetrieb, Produktionstechnik und -wirtschaft; Merkmale der industriellen Fertigung), Klassifizierung von Fertigungsprozessen (Erzeugnisorientierung, Einsatzorientierung und Prozessorientierung; Fertigungstypen; Andler'sche Losgrößenformel), Organisationstypen der Fertigung (Werkstättenfertigung, Reihen-/Fließfertigung und Gruppenfertigung; Formen der flexiblen Automatisierung)

  1. Grundlagen der Produktionswirtschaft
  2. Klassifizierung von Fertigungsprozessen
  3. Organisationstypen der Fertigung

Grundlagen der Produktionswirtschaft

Der Stoffflussprozess im Industriebetrieb, Produktionstechnik und -wirtschaft

Produktion wird hier definiert als der Leistungserstellungsprozess in der Form von Sachgütern, Dienstleistungen und immateriellen Leistungen. Der Leistungsprozess setzt sich zusammen aus Leistungserstellungsprozess und Leistungsverbrauchsprozess. Produktion kann auch als Wertschöpfungsprozess aufgefasst werden, bei dem aus Inputgütern im Unternehmen Outputgüter (Produkte) erstellt werden. Nach Gutenberg ist Produktion ein Faktorkombinationsprozess mit den drei Leistungsfaktoren menschliche Arbeit, Betriebsmittel und Material. Ein Leistungsprozess bildet somit einen Wertschöpfungsprozess ab.

Stofffluss-Prozess

Bildbeschreibung "Stofffluss-Prozess": Der Stofffluss erstreckt sich über Beschaffung, Produktion und Absatz. Die Beschaffung agiert zwischen dem Beschaffungsmarkt und der Produktion, der Absatz agiert zwischen Produktion und Absatzmarkt. Von Beschaffung über Produktion hin zu Absatz gibt es einen Stofffluss: Input (Materialfluss: dispositive und ausführende Arbeit, Material und Betriebsmittel), Throughput (Fluss unfertiger Erzeugnisse, Dienstleistung) sowie Output (Sachgüter-/Dienstleistungsfluss, also Logistik: Fertigware, Dienstleistungen und unnötiger Output wie Emissionen und Ausschuss).

Weiterhin gibt es einen Infofluss. Mögliche Ausprägungen sind: begleitend (Arbeitsbegleitkarte, Lieferschein), rücklaufend (Reklamation) und vorauseilend (Auftrag).

Merkmale der industriellen Fertigung

Produktion ist die methodische Erstellung von Sachgütern und Dienstleistungen, ein geplantes Vorgehen mit einem Ziel. Ziele produktionswirtschaftlicher Betätigung sind das Streben nach Gewinn und Wirtschaftlichkeit, die Sicherung der Zahlungsfähigkeit (Tagesliquidität: jeden Tag zahlungsfähig sein) und die Kapitalmehrung. Wirtschaftlichkeit wird unterteilt in externe Wirtschaftlichkeit und interne Wirtschaftlichkeit.

Wirtschaftlichkeit W = externe Wirtschaftlichkeit e × interne Wirtschaftlichkeit i
externe Wirtschaftlichkeit e = Betriebsertrag ÷ Sollkosten
interne Wirtschaftlichkeit i = Sollkosten ÷ Istkosten

Bei der Produktion wird die interne Wirtschaftlichkeit betrachtet. Aus der internen Wirtschaftlichkeit kann auch der Einfluss der Preise auf die Wirtschaftlichkeit abgelesen werden.

Produktionstechniken sind alle naturwissenschaftlichen, industriell anwendbaren Verfahren zur Leistungserstellung. Produktionswirtschaft ist die wirtschaftliche Seite der Leistungserstellung, d.h. die Auswahl der bestmöglichen Kombination der vorhandenen Einsatzfaktoren im Sinne des ertragswirtschaftlichen Prinzips (Minimal-/Maximalprinzip). Fertigung ist industrielle Produktion im Fabriksystem. Mit bestimmten technischen Verfahrensweisen werden nicht-materielle und materielle Einsatzgüter (Input) zu Ausbringungsgütern (Output) verarbeitet. Stoffe oder Körper gehen somit durch schrittweises Verändern der Form oder der Stoffeigenschaften vom Erstzustand in den Endzustand über.

Das Arbeitssystem ist die kleinste selbstständig arbeitsfähige Einheit in einem Produktionssystem, z.B. ein Maschinenarbeitsplatz. Ein Arbeitsgang ist eine Folge von Arbeitsoperationen, die Arbeitsstufe ist ein Teil des Arbeitsgangs.

Absatzmarkt und produktionswirtschaftliche Auswirkung
Veränderungen auf dem Absatzmarkt Produktionswirtschaftliche Auswirkungen (Beispiele)
kürzer werdende Produktlebenszyklen
  • häufigere Produktwechsel
  • weniger Zeit für die Produktionsentwicklung und -optimierung
Nachfragedifferenzierung (mit dem Wunsch nach größerer Typen- und Variantenvielfalt)
  • häufigere Rüstvorgänge
  • höherer Planungs-, Steuerungs- und Entwicklungsaufwand
zunehmender internationaler Wettbewerb
  • wachsender Preisdruck und damit Druck auf die Produktionskosten
  • schnellere Umsetzung des technischen Fortschritts
verändertes Kundenverhalten (z.B. bei Leistungsmerkmalen, Qualitätsniveau, Lieferzeiten)
  • Nachfrage nach individualisierten, maßgeschneiderten Lösungen
  • höheres Qualitätsbewusstsein

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Klassifizierung von Fertigungsprozessen

Erzeugnisorientierung, Einsatzorientierung und Prozessorientierung

  1. Erzeugnisorientierung
    • Absatzstruktur: Auftragsfertigung (Vorteil: niedriges Absatzrisiko, Nachteil: Auftragsaquirierung) oder Lagerfertigung (Vorteil: langfristige Planung, Nachteil: hohes Absatzrisiko)
    • Verwendung der Erzeugnisse: Produktionsgüter (Material), Investitionsgüter (Betriebsmittel, wenige Kunden mit geringen Abnahmemengen), Konsumgüter (unberechenbare Kunden)
    • Sortimentbreite
    • Kompliziertheit
  2. Einsatzorientierung
    • personalintensiv (Lohnkosten ÷ Gesamtkosten)
    • materialintensiv (Materialkosten ÷ Gesamtkosten)
    • anlagenintensiv (Betriebsmittelkosten ÷ Gesamtkosten)
  3. Prozessorientierung
    • Art der Stoffverwertung: analytisch (Trennungsprozess), synthetisch (Zusammenfügungsprozess), durchlaufend (Urformung, Umformung)
    • Stofffluss: diskontinuierlich, kontinuierlich
    • Anzahl der Produktionsstufen / Fertigungsstufen
    • Örtlichkeit der Produktion: Fabriksystem, Baustellenfertigung (Brückenbau)
    • Wiederholungsgrad und damit Fertigungstyp
    • Organisationstyp der Fertigung: Werkstättenfertigung (Transport- und Wartezeiten), Reihen-/Fließfertigung (Linienfertigung, Straßenfertigung), Gruppenfertigung (Mischung aus den beiden vorangegangenen Varianten; Fertigungsinseln mit weitgehender Selbststeuerung und Verzicht auf starre Arbeitsteilung)

Fertigungstypen

Fertigungstypen sind zu unterscheiden in Einzelfertigung und Mehrfachfertigung. Letztere kann weiter unterteilt werden:

  1. Fertigung begrenzt hoher Stückzahlen
    • mit großen Unterschieden zwischen den Auflagen: Serienfertigung (kleine Serien, große Serien)
    • mit kleinen Unterschieden: Sortenfertigung (Sonderformen: Partiefertigung, Chargenfertigung)
  2. Fertigung unbegrenzt hoher Stückzahlen: Massenfertigung

Eine Auflage wird auch als Los bezeichnet. Meist werden die Fertigungstypen derart kombiniert, dass die Kosten für die Einrichtung der Maschinen möglichst gering sind (Rüstkosten). Es werden also immer Serien aufgelegt, von denen dann Sorten gefertigt werden (Sorte 1 bis Sorte n). Beispiel Automobilindustrie: Fahrzeugtypen entsprechen Serien, verschiedene Ausstattungen sind Sorten. In der chemischen Industrie wird die Sorte als Charge bezeichnet.

Von Partiefertigung wird gesprochen, wenn ein in der Natur nachwachsender Rohstoff verwendet wird. Eine unterschiedliche Holz-Maserung weist z.B. auf einen anderen Baum hin, der damit einer anderen Partie entspricht. Im Gegensatz dazu sind Baumwollfasern beispielsweise immer unterschiedlich in ihrer Struktur - sind sie jedoch aus der gleichen Ernte, sind sie aus einer Partie.

Andler'sche Losgrößenformel

Die Rüstkosten KR sind einmalige Kosten (z.B. die Einrichtung der Maschinen) und somit Auflagen-fixe Kosten. Die Lagerhaltungskosten LHK setzen sich zusammen aus den Lagerkosten LK (unabhängig von den Lagerinhalten: Einrichtung und Aufbau des Lagers, Abschreibung, Strom, Heizung) und den Zinskosten für die Kapitalbindung (meist angegeben als Lagerhaltungskostensatz LHKS (Lagerkostensatz + Zinssatz) in Prozent: entstehen erst bei Einlagerungen und wachsen mit der eingelagerten Menge M). Herstellkosten HK entstehen durch Material und Lohn, nicht durch Gemeinkosten. Die zu berechnende optimale (wirtschaftliche) Losgröße wird mit xo bezeichnet.

Andler'sche Losgrößenformel

Bildbeschreibung "Andler'sche Losgrößenformel": Abbildung in einem Koordinatensystem. Auf der y-Achse (senkrechte Achse) werden die Kosten in Euro (K) abgebildet, auf der x-Achse (waagerechte Achse) wird die Stückmenge (X) abgetragen. Die Lagerhaltungskosten (LHK) sind in einer Geraden abbildbar, die von links unten nach rechts oben konstant im 45-Grad-Winkel ansteigt. Die Rüstkosten (KR) sind stetig sinkend und verlaufen in einer leichten Kurve von links oben nach rechts unten. Von Interesse ist dann das Lot vom Minimum auf die x-Achse. Hier kann die optimale (wirtschaftliche) Losgröße abgelesen werden. Hinweis: Der Schnittpunkt der Kurven (Lagerhaltungskosten und Rüstkosten) ist nur zufällig an selber Stelle wie das Minimum-Lot.

Übungsaufgabe:
gegeben:
KR = 1000 €
M = 600 Stück (Bedarf pro Periode)
HK = 5 €/Stück
Lagerhaltungskostensatz LHKS = 10 % (Lagerkostensatz + Zinssatz für die Kapitalbindung)
-------------------------------------------------------------------
gesucht:
xo
-------------------------------------------------------------------
Lösung:
Ausgangspunkt: xo = √ [(KR × M × 200) ÷ (HK × LHKS)]
xo = √ [(1000 € × 600 × 200) ÷ (5 €/Stück × 10)]
= √ (120000000 ÷ 50)
= √ 2400000
= 1549,19, also 1550 Stück
Eigentlich müssten 1550 Stück gefertigt werden, um die geringsten Stückkosten zu erreichen. Produktionstechnisch sollten gleich zwei Perioden zusammengezogen und die doppelte Menge produziert werden, damit die Kosten sinken und optimaler werden. Weiterhin ist der berechnete Wert von 1550 Stück als Richtwert zu betrachten, der an die Produktion angepasst werden muss. Schließlich müssen beispielsweise Kartons optimal gefüllt werden. Es wird ja schließlich keine Luft verpackt.

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Organisationstypen der Fertigung

Werkstättenfertigung, Reihen-/Fließfertigung und Gruppenfertigung

  1. Werkstättenfertigung (Bohrerei, Schleiferei, Fräserei): Verrichtungszentralisation (anpassungsfähig aber hohe Durchlaufzeiten)
    Beispiel: Es gibt sieben Werkstätten, in denen ein Produkt in acht Arbeitsgängen gefertigt wird. Dabei kann eine Werkstätte mehrmals betroffen sein:
    • Arbeitsgang 1 in Werkstätte 1
    • Arbeitsgang 2 in Werkstätte 3
    • Arbeitsgang 3 in Werkstätte 2
    • Arbeitsgang 4 in Werkstätte 5
    • Arbeitsgang 5 in Werkstätte 4
    • Arbeitsgang 6 erneut in Werkstätte 2
    • Arbeitsgang 7 in Werkstätte 6
    • Arbeitsgang 8 in Werkstätte 7
  2. Reihen-/Fließfertigung: aufeinander folgende Arbeitsgänge (Arbeitsgang 1 bis Arbeitsgang n), die somit zeitlich aufeinander abgestimmt/getaktet sind (Vorteile: kurze Durchlaufzeiten, geringe Stückkosten, Nachteile: Störungen haben sofort Auswirkungen auf die gesamte Reihe, keine Flexibilität/Anpassung an Markt kurzfristig möglich)
    • Linienfertigung: eine Produktionslinie
    • Straßenfertigung: mehrere Produktionslinien parallel
  3. Gruppenfertigung: Mixtur aus den beiden vorangegangenen Organisationstypen. Abschnitte der Werkstättenfertigung werden mit Abschnitten der Fließfertigung kombiniert.
    Beispiel: Ein Fahrzeug aus der Linie auskoppeln, im extra Arbeitsschritt auf einer Fertigungsinsel verfeinern (Sonderwünsche umsetzen) und hinterher das Fahrzeug wieder einkoppeln. Folge: Variantenvielfalt

Eine Fertigungsinsel hat die Aufgabe, aus gegebenem Material Produktteile oder Endprodukte möglichst vollständig zu fertigen. Die notwendigen Betriebsmittel sind räumlich und organisatorisch zusammengefasst. Eine Fertigungsinsel unterliegt einer weitgehenden Selbststeuerung (autonome Arbeitsgruppen) und verzichtet auf die starre Arbeitsteilung (Job Rotation). Der leitende Mitarbeiter hat autonome Entscheidungsgewalt.

Formen der flexiblen Automatisierung

In hierarchisch aufsteigender Reihenfolge hinsichtlich der erreichbaren Flexibilität:

  1. Flexible Transferstraße
    • Mehrere automatisierte Fertigungseinrichtungen
    • Innenverkettung
    • Transport getaktet
    • Materialfluss gerichtet
    • Mehrstufige Bearbeitung
    • Umrüstungen für begrenztes Teilespektrum im Systemstillstand möglich
  2. Flexibles Fertigungssystem
    • Mehrere automatisierte Fertigungseinrichtungen
    • Außenverkettung
    • Transport ungetaktet
    • Materialfluss ungerichtet
    • Einstufige und/oder mehrstufige Bearbeitung
    • Automatisiertes Umrüsten einzelner Systemkomponenten ohne Systemstillstand möglich
  3. Flexible Fertigungszelle
    • Unverkettete Einzelmaschinen
    • Einstufige Bearbeitung
    • Werkstückwechseleinrichtungen
    • Pufferplatz
    • Automatisierter Werkzeugwechsel